Tagebuch eines Gärtners auf Grand Tour

Immer wieder gräbt der Gartenhistoriker Clemens Alexander Wimmer tief in den Archiven der Gartengeschichte und fördert dort Spannendes zu Tage. Die Frucht seiner jüngsten Recherchen ist die Herausgabe des Tagesbuchs der Europareise des Hofgärtners Emil Sello in den Jahren 1838 bis 1840. Zum Hintergrund: In früheren Zeiten war es üblich, dass junge Hofgärtner sich am Ende ihres Ausbildungsweges und vor Antritt ihrer ersten „großen Stelle“ auf eine Bildungsreise durch die Gärten Europas aufmachten, um dort Kontakte zu knüpfen und die vor Ort üblichen Gartenstile und Arten der Pflanzenverwendung kennenzulernen. Eine solche Reise unternahm auch Emil Sello, der später als Hofgärtner in verschiedenen Gartenquartieren der königlichen Gärten in Potsdam tätig sein sollte. Er besuchte wie viele Sprösslinge aus alten Hofgärtnerfamilien nie die königliche Gärtnerlehranstalt in Schöneberg/Potsdam, sondern ging beim eigenen Vater in die Lehre. Im März 1838 begann er seine auf drei Jahre angelegte gärtnerische Bildungsreise durch Europa, wo er zunächst unter anderem Station in Wien und München machte, um dann nach Italien und ins Elsass aufzubrechen und anschließend gen Karlsruhe und Heidelberg weiterzuziehen. Nach einem längeren Aufenthalt in Lüttich zog es Sello nach Paris und abschließend nach England.  Auf seinen Reisen besichtigte er Gärtnereien, Parks und Gärten, nahm rege am kulturellen Leben teil, lernte Sprachen und wurde an seinen unterschiedlichen Stationen gelegentlich mit leichteren gärtnerischen Arbeiten betraut.  Meist wie ein Dandy gekleidet, ging er an so manchem seiner Reiseziele verschiedene „Liebschaften“ mit den Töchtern seiner Gastgeber ein, wohl aus dem Bestreben, in eine angesehene (Hof-)Gärtnerfamilie einheiraten zu können. Doch auch wenn sich gerade diese Hoffnungen immer wieder zerschlugen: Von den Erfahrungen, die Sello in der europäischen Welt gehobenen Gärtnerns machte, profitierte er sein Leben lang. Illustriert mit zahlreichen Skizzen aus Sellos Hand und zeitgenössischen Ansichten der Reisestationen zeigt das von Wimmer herausgegebene Sellosche Reisetagebuch dem historisch interessierten Gartenfreund ein Europa im politisch-kulturellen Umbruch und bietet einen tiefen Einblick in die damalige Welt reisender Gartengehilfen.

Clemens Alexander Wimmer (Hg.): Ein Gärtner auf Grand Tour. Emil Sellos Tagebuch seiner Europareise 1838–1840, VDG Weimar, 2020.