Der Fluch des Witwenstaubes

abbildung-der-wolfswurz-aconitum-lycoctonum-links-und-des-eisenhuetleins-aconitum-napellus-rechts-im-kraeuterbuch-des-hieronymus-bock-von-1546-kleinKaiser Claudius ist einer der zahllosen, aber sicher einer der berühmtesten Menschen, der infolge einer Vergiftung durch Eisenhut (Aconitum napellus) sein Ende gefunden hat. Der Eisenhut zählt zu den giftigsten Pflanzen, die hierzulande wachsen. Seine zahl­reichen volkstümlichen Namen wie Gifthut, Teufels- oder Wolfskraut, Würgling oder Ziegentod deuten auf diese Gefährlichkeit hin, während seine anderen Bezeichnungen wie Blauer Sturmhut, Mönchs­kappe oder Venuswagen eher auf das be­son­­dere Erscheinungsbild seiner Blüte hinweisen.

herkules-und-cerberus-kupferstich-von-hans-sebald-beham-1545Seit Jahrhunderten gilt die hübsche Staude wegen ihrer Giftigkeit und ihrer außer­gewöhn­li­chen Optik als Symbolpflanze der Rache und der verbotenen Liebe. Der griechischen Sage nach entstand sie sogar in der Unterwelt. Dort wuchs der Eisenhut im Garten der Göttin Hekate. Als der Held Herkules in die Unterwelt kam, um von dort den Höllenhund Kerberus in die Welt der Lebenden zu entführen, wehrte sich dieser nach Kräften. Als der Geifer von den Lefzen des Untiers zu Boden troff, wuchsen an dieser Stelle die ersten Eisenhutpflanzen und verbreiteten sich von hier aus in der ganzen Welt. Auch im nordischen Mythos hat der Eisenhut seinen festen Platz. So sah man in der kuppelför­migen Blüte den Helm des mächtigen Gottes Wotan. Diese magische Schutz­haube erlaubte es der Gottheit, sich unsichtbar zu machen und dann – ganz plötzlich – mitsamt seinem Schlachtross und eskortiert von je zwei Wölfen und Hirschen inmit­ten der Menschen zu erscheinen.

eisenhut-ddr-briefmarkeDass sich der Eisenhut bestens dazu eignete, unliebsame Menschen aus dem Wege zu räu­men, wusste man nicht nur in Europa. Auch im reichen Literaturschatz Indiens und Chinas ist zu lesen, dass man Pfeile mit dem Gift des Eisenhutes bestrich oder im chinesischen Herrscherhaus eine Kaiserin mit der todbringenden Substanz vorzeitig aus dem Leben riss. In unseren Breiten wurde der Eisenhut seit dem Mittelalter stets in Bauerngärten angepflanzt, auch wenn man sicher von seiner Gefähr­lichkeit wusste: Nicht nur manche Bäuerin wird den auch „Wi­t­wen­staub“ genannten Todesbringer dazu verwendet haben, sich ihres Ehemannes zu entledigen – als Pulver auf das Bettlaken gestreut, führte das Gift zwar langsam, aber gewiss zum Tod des ahnungslosen Schläfers. Sogar als Aphrodisiakum soll das gefährliche Gewächs einst genutzt worden sein, doch wehe demjenigen, der sich in der Dosierung vertat. Gönnen wir dem Eisenhut lieber einen schönen Platz in unseren Gärten – aber mit aller Vorsicht: denn das Tragen von Handschuhen ist im Umgang mit dem „Blauen Sturmhut“ unbedingt geboten!