Carl von Linné – der Namensgeber

An einem Mangel an Selbstbewusstsein scheint Carl von Linné nicht gelitten zu haben. Er bezeichnete sich selbst als ‚größten Botaniker aller Zeiten‘ und hat sage und schreibe drei Autobiografien verfasst. Doch ungeachtet aller Eitelkeit ist sein großer Verdienst für die Botanik bis heute unbestritten. Doch worin besteht dieser? Noch in Linnés Jugend herrscht unter Botanikern gewissermaßen eine babylonische Sprachverwirrung. So war beispielsweise die Akelei im schweizerischen Kanton Thurgau als „Marünggeli“ bekannt, dem Kosenamen für Maria, andernorts nannte man sie „Handschuh unserer Lieben Frau“, in Frankreich war die Bezeichnung „bonnet de prêtre“, also Priesterhütchen, üblich und im englischen Sprachraum wurde sie schließlich als Columbine bezeichnet. Wenn sich also Botaniker aus verschiedenen Ländern über Pflanzen austauschten, war es schwierig, genau zu wissen, von welcher Pflanze der jeweils andere Wissenschaftler sprach. Üblich waren dann beispielsweise weitschweifige Umschreibungen wie „Blüten von verschiedener Farbe, dieselben in ihrer Form an eine Taube erinnernd, eher im Schatten gedeihend“. Solche Beschreibungen waren vielleicht ein Hinweis für den Forscher, um welche Pflanzen es sich handeln könnte – eindeutig waren sie allerdings nicht. Das war eine Aufgabe, die wie geschaffen für Carl von Linné war. Am 23. Mai 1707 als Sohn eines Pastors in Südschweden geboren, studierte er zunächst Medizin und Naturwissenschaften.

Auf zahlreichen Studienreisen, unter anderem seiner besonders berühmt gewordenen nach Lappland, widmete er sich intensiv der Erforschung der Pflanzen- und Tierwelt. Aufgrund seiner Beobachtungen veröffentlichte er im Jahr 1735 sein erstes Werk „Systema Naturae“, das eine bis dahin nicht gekannte Systematik in die Biologie einführte. Linné unterteilte einerseits die Natur in die drei Bereiche Steine, Pflanzen und Tiere. Zudem entwickelte er ein System, das eine Bestimmung aller Pflanzen nach Zahl und Anordnung der Staubgefäße und Stempel erlaubte. Aufgrund seiner Untersuchung, wie die Vermehrung der Pflanzen vor sich ging, teilte er diese entsprechend ihrer Geschlechtsorgane in Gruppen ein. Maßgeblich für die Einteilung war dabei einerseits, ob die Pflanzen Staub- (männliche Blütenteile) oder Fruchtblätter (weibliche Blütenteile) besaßen. Deren Anzahl, Verteilung und Anordnung spielte bei seiner Unterscheidung ebenfalls eine Rolle. Die Einteilung der Pflanzen in Klassen nahm der Schwede anhand der Staubgefäße vor, mittels der Griffel bestimmte er deren Ordnung. Und dieses System dient auch heute noch als Basis der systematischen Betrachtung von Pflanzen. Dabei löste es seinerzeit einen Skandal aus: Linné verglich nämlich die Staubbeutel der Blüten mit „Männern“ und die Griffel mit „Frauen“, die in der Pflanzenblüte gewissermaßen gemeinsam das Bett teilten. Als unerhört und pornografisch galt diese Erklärung für den gemeinen Mann! Doch die Forscher erkannten die Genialität des Systems sofort. Zur schnellen und weiten Verbreitung dieses neuen Klassifikationssystems trug zudem eine Zeichnung bei, die der botanische Maler Georg Dionysius Ehret von diesem „Methodus Plantarum Sexualis in sistemate naturae descripta“ anfertigte. Und was heute nur noch wenigen bekannt ist: Auf Linné geht auch die Einführung der biologischen Zeichen für weiblich und männlich zurück, die in diesem Zusammenhang entstand!

Sein größtes Verdienst, durch das er heute noch bekannt ist, war jedoch die Einführung einer neuen Namensgebung im Tier- und Pflanzenreich: die so genannte binäre Nomenklatur. Dabei gab er jeder Pflanze und jedem Tier einen zweiteiligen lateinischen Namen, wodurch auch gleich der spezifische Artbegriff definiert wurde. Ein Beispiel: Die „Echte Katzenminze“ trug zu Linnés Zeiten unter anderem den langen Namen „Nepeta floribus interrupte spicatus pedunculatis“. Der Schwede nannte sie nach seinem neuen System kurzerhand „Nepeta cataria“. Der erste Namesteil stand für die Gattung, der zweite beschrieb die Art, also „cataria“ = auf Katzen wirkend. Dass er sich für lateinische Namen entschied, war nahe liegend, denn Latein war damals die Wissenschaftssprache, mit der sich Forscher auf der ganzen Welt verständigten. Diese neue, einheitliche Namensgebung setzte sich in Windeseile durch, denn die Forscher erkannten schnell: Mit Hilfe einer so kurzen, einfachen Benennung konnten sie sich mit Kollegen auf dem ganzen Erdball unkompliziert austauschen. Nun war es endlich möglich, die Ergebnisse eigener Pflanzenforschung mit Forschern anderer Länder problemlos zu vergleichen. Versuche dieser Art hatte es zwar bereits vor Linné gegeben, doch keiner wendete das System so konsequent und methodisch an wie der findige Schwede. Bereits 100 Jahre nach Linnés Tod waren allerdings statt der zu seiner Zeit bekannten 7.228 Pflanzenarten schon rund 15.000 Arten erforscht. Die Forscher mussten also neue Gattungen aufstellen und neue Namen erfinden. Wenn auch die heutige Botanik ein anderes System benutzt, wurde doch Linnés Methode der lateinischen Doppelbezeichnung beibehalten. Und so konnte der eitle Schwede mit Fug und Recht von sich behaupten: „Deus creavit, Linnaeus disposuit“ („Gott hat die Welt geschaffen, aber Linné hat sie geordnet.“). Wem das dann doch zuviel an Eitelkeit ist, wird vielleicht eher das unscheinbare Moosglöckchen mit seinen kleinen rosa Blüten und seinem süßen Duft zu schätzen wissen, das – Carl von Linné zu Ehren – noch heute den Namen „Linnaea borealis“ trägt!

(Foto: A. Trepte. www.photo.natur.de)