Hyacinthos oder „die schönste und lieblichste aller Blumen“

Einst lebte ein Jüngling, der war so schön, dass sich sowohl der Gott Apollon als auch der Wind Zephyros in ihn verliebten – der Name des jungen Mannes war Hyakinthos. Eines Tages übten sich Apoll und Hyakinthos gemeinsam im Diskuswerfen, während der eifersüchtige Zephyros zähneknirschend zuschaute. Plötzlich packte der Windgott die vorbeifliegende Diskusscheibe mitten aus dem Flug heraus und warf sie dem schönen Jüngling versehentlich an den Kopf. So heftig getroffen, brach der schöne Hyakinthos zusammen und starb. Aus Trauer um den verlorenen Freund ließ Apoll sogleich aus dem Blut des Ermordeten eine Blume wachsen – die Hyazinthe, die seitdem jedes Jahr aufs Neue ihr herrlich duftendes Haupt dem Himmel entgegenreckt! Der griechische Dichter Lukian von Samosata legte dem Apoll die folgenden Wehklage in den Mund:

„Wütend verfolgte ich Zephyr bis an den Berg und verschoss alle meine Pfeile vergebens nach ihm: dem Knaben aber richtete ich … an dem Orte wo ihn der unglückliche Diskus niederschlug, einen hohen Grabhügel auf; und aus seinem Blute… musste mir die Erde die schönste und lieblichste aller Blumen hervortreiben.“

Apropos „hervortreiben“: Im 18. Jahrhundert zählte die Hyazinthe, damals noch eine Seltenheit in unseren Breiten – zu den gefragtesten Modeblumen! Ähnlich wie bei den Tulpen löste die hohe Wertschätzung dieser Zwiebelpflanze einen echten Kaufrausch – eine Hyazinthomanie aus. Und in bürgerlichen Kreisen entwickelte sich eine regelrechte Freizeitbeschäftigung daraus, in der kalten Jahreszeit die schönsten Hyazinthenzwiebeln auf bauchigen, so genannten Hyazinthengläsern vor der eigentlichen Blütezeit zum Blühen zu bringen. Zentrum der deutschen Hyazinthenzucht war übrigens Berlin, doch als sich die Spreemetropole im 19. Jahrhundert immer mehr vergrößerte, fielen die Anbauflächen für Hyazinthen den Neubaugebieten zum Opfer und die Hyazinthenzucht geriet hierzulande in Vergessenheit. Als sich dann die Hyazinthe in späteren Zeiten zu einem billigen Importartikel entwickelte und ihre Besonderheit einbüßte, weil sie einfach überall für „kleines Geld“ zu haben war, geriet auch die Hyazinthentreiberei und damit die hübschen Hyazinthengläser in Vergessenheit.

Das ist ein Jammer, denn eigentlich machte es gerade in diesen grauen Tagen eine so große Freude zu beobachten, wie zunächst nichts als die schrumpelige Zwiebel zu sehen ist, sich dann im Laufe weniger Wochen der Austrieb immer mehr zeigt, bis dann als Lohn für die Geduld die herrliche Blüte mit ihren kleinen Sternen sichtbar wird und ihren intensiven Duft im ganzen Raume verbreitet. Dann ist es bis zum Frühling nicht mehr weit! Schließlich ist die Hyazinthe in der Blumensprache das Symbol des Frühlingserwachens – wie schön, dass seit einigen Jahren wieder die hübschen Hyazinthengläser in Mode kommen. Warum also sollte man sich nicht einmal wie unsere Ahnen der Hyazinthentreiberei widmen?

Die Hyazinthe

Ich grüße dich, du wunderbarer Duft,
Der sich in diesen zarten Kelchen wieget,
Du Schiff, worin durch dunkelblaue Luft
Die Seel‘ entzückt nach fernen Ufern flieget.

Das Steuer ist ein alter, alter Traum
Von andern Zeiten, himmelschönen Auen,
Gold ist der königlichen Ströme Schaum
Und hohe, schlanke Palmen sind zu schauen.

Die Lotosblume schwimmt auf blauer Flut,
Die Welle scheint mit holder Scham zu fragen,
Welch Wunder ihr im keuschen Schoße ruht?
Doch nur die Kinder wissen es zu sagen.

Friedrich Theodor Vischer (1807-1887

Bild: Giambattista Tiepolo: „Der Tod des Hyacinthus”, circa 1752/53 (Quelle: Wikimedia Commons)