Wasserspiele – dem Menschen zum Nutzen und zur Lust!

Schon der Garten des Paradieses ist ohne Wasser undenkbar. Hier entspringt aus einem Felsen ein Fluss, der sich in die berühmten vier Paradiesströme Pischon, Gihon, Euphrat und Tigris teilt. Schon seit undenklichen Zeiten gehören also in der Vorstellung des Menschen Wasser und Gärten untrennbar zusammen. Ohne Wasser – sei es nun stehend, fließend oder springend – lässt sich kein Garten pflegen. Für die Entstehung von Wasserspielen (siehe Kasten) ist es eine zwingende Voraussetzung, dass das kühle Nasse nicht nur zum Nutzen, sondern auch zur Lust verwendet, ihm eine Form gegeben wird.

Im Mittelalter dienten eingefasste Quellen, wie es etwa der Oberrheinische Meister um 1400 in seinem „Paradiesgärtlein“ zeigt, noch vorrangig dem Wasserschöpfen oder dem Gießen von Pflanzen. Die so genannten „Laufbrunnen“, die man bereits in den Klöstern des frühen Mittelalters kannte, werden etwa um das 13. Jahrhundert auch in den höfischen Gärten heimisch und finden dort bereits vorrangig als Zierde und Verschönerung des Gartens Verwendung. Bei den „Stockbrunnen“ nördlich der Alpen fließt das Wasser durch eine in einem Brunnenbecken befindliche Röhre empor und ergießt sich aus figürlich oder mit Ornamenten gestalteten Öffnungen in das Wasserbecken. War die Gestaltung der die Brunnen anfangs noch recht einfach gehalten, wandeln sie sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts zu wahren Kunstwerken – mehrstöckigen Gebilden mit reichem Skulpturenschmuck, aus dem sich das Wasser aus allen nur erdenklichen Verzierungen und Öffnungen in die Brunnenbecken ergoss. Im Laufe des im 16. Jahrhunderts wurde das Wasser in den höfischen Gärten immer stärker in den Dienst des Amusements der Gartenbesitzer und ihrer Gäste gestellt. Die schönsten Beispiele, die dann auch als Vorbild für viele Gartenanlagen im deutschsprachigen Raum dienten, sind zweifelsohne die bekannten Villengärten Italiens wie etwa die Villa D’Este in Tivoli, die Villa Lante in Bagnaia oder auch die Villa Aldobrandini in Frascati mit ihrer berühmten Wassertreppe.
Doch die Verwendung von Wasser im Garten machte in ganz Europa Schule. Insbesondere so genannte „Vexierwasser“ (von lat. vexare = necken, quälen) und alle Arten von Wasserscherzen waren in den Residenzen Europas beliebt. In der Regel befanden sich in die Vexierwasser in speziellen Gartenbereichen und dienten dazu, Gartenflaneure unverhofft bis auf die Haut zu durchnässen oder sie an der Flucht in trockene Gartenbereiche zu hindern. Durchschritten die Besucher den Garten, wurden sie an vielen Stellen aus unsichtbaren Düsen mit Wasser bespritzt. In Gang gesetzt wurden diese „Wasserattacken“ beispielsweise durch das Betreten einer Bodenplatte, unter der sich ein spezieller Auslösemechanismus für die nasse Neckerei befand. Ein anderes schönes Beispiel ist der so genannte „Fürstentisch“ in Schloss Hellbrunn, dem Sommersitz des Erzbischofs Markus Sittikus. Hatten sich seine Gäste an dieser marmornen Tafel im Garten niedergelassen, in deren Mitte sich ein Wasserbecken zum Kühlen von Getränken befand, wurden sie aus in den steinernen Schemeln verstecken Düsen völlig durchnässt. Den flüchtenden Tischgästen wurde dabei durch eine aufsteigende Wasserwand aus Bodendüsen die Flucht erschwert. Nur Gastgeber Sittikus blieb dabei trocken. Von besonderer Schönheit sind auch die vielen hydraulisch betriebenen Automaten in Hellbrunn, wo das Wasser figürlichen kleinen Szenen aus Mythologie und Alltagswelt Leben einhaucht, eine Krone auf einem Wasserstrahl in die Höhesteigen lässt, ja gar ein ganzes Miniaturtheater in Bewegung setzt

Sehr beliebt war auch der Einsatz von Wasserspielen in Grotten. Bereits im 16. Jahrhundert in der Gartenkunst nachweisbar, erlebten die Grotten zu Beginn des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt in der Gartenkunst. Mal wurden sie in natürliche Hügel integriert, mal wurden eigens kleine Hügel künstlich aufgeschüttet oder Pavillons dafür errichtet, mal sogar in Lustschlössern selbst eigenen Grottenräume erbaut (z.B. Schloss Weißenstein in Pommersfelden). Ausgeschmückt wurden die Grotten mit Inkrustationen aus Muscheln, Korallen, Schnecken und bunten Steinen, Skulpturen von antiken Wassergöttern, Meeres- oder Fabelwesen. Das Wasser rann oder spritze aus den Grottenwänden, trieb kleine Wasserspiele und Wasserorgeln an, brachte künstliche Vögel zum Pfeifen oder trieb über mechanische Automaten alle Arten von Getier, Brunnen, Vexierwässer oder gar ganze Wasserorgeln an.
Mechanische Automaten sind bereits seit der Antike durch die Schriften des Heron von Alexandria („Pneumatica“ und „Automatica“) bekannt und wurden dann in einer lateinischen Übersetzung im 16. Jahrhundert auch einem breiteren gelehrten Publikum zugänglich. Wasserkünste sollten damit auch eindrucksvoller Beweis des technischen Könnens seiner Zeit sein. Man verstand es also nicht nur, die Natur zu gestalten, sondern sie auch mit technischen Mitteln nachzuahmen. Zahllose Wasserautomaten ersannen die klugen Köpfe dieser Zeit, die nicht nur Vogelgezwitscher und künstliche Wasserfälle, sondern auch die Geräusche von Donner und Regen, aber auch den Klang verschiedenster Instrumente nachzuahmen verstanden. Einer der bekanntesten Ingenieure, die dies zustande brachten, war Salomon de Caus, der für Wasserkünste an zahlreichen Höfen Europas verantwortlich zeichnete (etwa Schloss Coudenberg in Brüssel oder die Wasserkünste im Hortus Palatinus in Heidelberg).

Noch bis weit ins 18. Jahrhundert spielten die Wasserspiele in den Gärten der Herrscher Europas eine wichtige Rolle. Eines der spätesten Beispiele für die gestalterische Verwendung von Wasserkünsten ist der Bergpark Kassel Wilhelmshöhe. Die so genannte „große Wasserkunst“ entstand unter Landgraf Karl (reg. 1677-1730) und bildet in ihrer Zeit eine architektonische und ingenieurtechnische Ausnahmeleistung. Die barocken Anlagen mit Oktogon, Wassertheater und Kaskade sind durch ihre symmetrische und axiale Gestaltung Ausdruck einer das Wasser perfekt nutzenden formalen Gartenkunst. Sie gießen es geometrische Formen und Fontänen, Becken und Wassertreppen und in ständig neue, faszinierende Formen. Doch während in anderen Parkanlagen der neue Zeitgeschmack des englischen Landschaftsgartens die Vorherrschaft übernahm und die alten Wasserkünste fast überall verschwanden, ging man in Kassel andere Wege. Zwar strebte Landgraf Wilhelm der IX. auch hier Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts ein Landschaftsbild nach englischem Vorbild an. Unter ihm entstanden über den gesamten Park verteilt mehrere Wasserfälle und Teiche, Bäche und Wassersprünge, einen See und ein Aquädukt mit tosendem Wasserfall. Die barocke Anlage wurde dabei jedoch nicht überformt oder gar eliminiert, sondern prägt bis heute mit ihrer Wasserkunst das Bild einer der bekanntesten und schönsten Parkanlagen Deutschlands.