Heutzutage werden große Mengen an Pflanzen in kürzester Zeit in Frachtflugzeugen quer über den Globus transportiert, um Gartenfreunde in aller Welt zu erfreuen. Auch empfindliche Pflanzenschätze gelangen so schnell an ihren Bestimmungsort, ohne Schaden zu nehmen. Doch das war nicht immer so. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts tauchten die ersten Exemplare exotischer Pflanzen und Blumen in Europa auf und faszinierten von da an Botaniker und Gärtner gleichermaßen. Doch es war extrem schwierig, lebende Pflanzenexemplare aus dem Fernen Osten, Australien oder Amerika unbeschadet nach Europa zu transportieren. Auf den langen Reisen ging nicht selten ein großer Teil der kostbaren Pflanzenbeute aus Lichtmangel oder wegen Schimmel verloren, wenn die Pflanzen unter Deck untergebracht waren. Wurden sie hingegen auf Deck verstaut, waren sie dem Salzwasser, zu viel Sonnenlicht und großen Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschieden ausgesetzt, wenn man sie über die Weltmeere transportierte. Wurde das Gießwasser knapp, ließ man natürlich eher die Pflanzen als die Besatzung verdursten. Die Ausbeute an Pflanzen, die solche Reisen überstanden, war also äußerst gering.
Da kam eine Idee des englischen Botanikers und Arztes Nathaniel Bagshaw Ward (1791-1868) gerade recht! Eigentlich war es sein Ziel gewesen, in einer mit Erde gefüllten und verschlossenen Glasflasche die Puppe eines Schmetterlings schlüpfen zu lassen. Nach einer Weile keimten jedoch einige grüne Halme in diesem abgeschlossenen Behältnis. Ward schloss daraus, dass man Pflanzen in einem geschlossenen Behälter für einen gewissen Zeitraum am Leben erhalten könne, wenn sie man sie genügend Licht aussetzte. Warum nicht ein solches „geschlossenes System“ dazu nutzen, um Pflanzen unbeschadet über die Ozeane zu transportieren? So konnte man die grünen Schätze vor salziger Seeluft und heftigen Temperaturschwankungen schützen. Auch die Feuchtigkeit ging in einem solchen geschlossenen Umfeld nicht verloren und man musste nicht gießen! So ließ der britische Botaniker eine Art verglaste Transportkiste aus hartem Holz bauen, befüllte sie mit feuchter Erde, setzte Farne und Gräser hinein und verschloss dann den Kasten so gut es eben damals möglich war. Und tatsächlich: Die im Sommer 1833 derart verpackten Pflanzen überstanden ihre mehrmonatige Seefahrt nach Australien! Auf der Rückfahrt brachte man in den „Wardschen Kästen“ seltene Pflanzen unter, die man in Australien gesammelt hatte, und auch sie trafen in gutem Zustand an ihrem Londoner Reiseziel ein. Seine Erfahrungen mit den Pflanzenkisten veröffentlichte Ward erst im Jahre 1842 in dem Werk „On the Growth of Plants in Closely Glazed Cases“. Doch da hatten sich seine mobilen Glashäuser bereits längst durchgesetzt. Sogar der berühmte Pflanzenjäger Joseph Dalton Hooker nutzte die Wardschen Kästen, um seine Pflanzenbeute aus Neuseeland heim nach Merry Old England zu bringen. Dort sollte er später Direktor der Royal Botanic Gardens in Kew werden.
Der ursprüngliche „Schmetterlingsbrutkasten“ des findigen Herrn Ward bedeutete eine wahre Revolution für die „Plantsmen“, die für ihre reichen Auftraggeber und namhafte Gärtnereien in aller Welt auf die Jagd nach neuen, noch unbekannten Pflanze gingen. Nicht nur Zier-, auch Nutzpflanzen wurden in den Wardschen Kästen transportiert – so etwa Teepflanzen, die heimlich aus Shanghai nach Indien geschmuggelt wurden. Auch Kautschukpflanzen gelangten auf diesem Wege aus Brasilien nach Ceylon. So fielen das Monopol der Chinesen auf Tee und das der Brasilianer auf Kautschuk! Die Wardschen Kästen wurden noch weit über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus für den Transport von Nutz- und Zierpflanzen verwendet. Ihre Pflicht und Schuldigkeit hatten sie erst getan, als die Luftfracht zu einem ernst zu nehmenden Transportweg auch für Pflanzen wurde. Und die wenigen Stunden, die sie in einem Flugzeugbauch verbringen, überstehen die meisten „grünen Schätze“ zum Glück zumeist unbeschadet. Aber Pflanzenjäger gibt es noch heute, doch davon soll ein anderes Mal erzählt werden!