Der Alte Fritz und seine „Kaffeeriecher“

Heute ist es völlig ungefährlich, eine Tasse wohlriechenden Kaffees (Coffea) zu genießen, sei es zu Hause oder in einem Café. Wer zu Zeiten Friedrichs des Großen in Preußen lebte, den kam sein Kaffeegenuss unter Umständen teuer zu stehen. „Nicht ohne Kampf hat sich der Kaffee, der braune Sohn der Tropen, den breiten Boden der europäischen Kulturwelt erobert“, heißt es daher in der „Gartenlaube“ von 1892, einer im 19. Jahrhundert sehr beliebten Zeitschrift. Doch wie kam es zu diesem „Kampf“?

Um Preußens Hersteller und Lieferanten von Malz (für den Malzkaffee) und die Bierbrauer zu schützen, hatte Friedrich der Große 1780 die Einfuhr von Kaffee im Land untersagt. Laut „Gartenlaube“ forderte der Monarch, „die Leute sollten sich wieder an das Bier gewöhnen, das wäre zum besten ihrer eigenen Brauereien und im übrigen seien Seine Königliche Majestät Höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe erzogen worden, mithin können die Leute ebensogut mit Biersuppe erzogen werden; das sei viel gesünder als der Kaffee, an den sich jetzt ein jeder Bauer und gemeine Mensch gewöhnt habe“. Wer dennoch Kaffee einführen wollte, wurde mit einer hohen „Luxussteuer“ auf das beliebte Getränk bestraft. Nur staatliche Röstereien durften sich des Röstens von Kaffeebohnen annehmen.

Nun gab es natürlich schlaue Köpfe, die die dunklen „Bohnen“ heimlich ins Land schmuggeln, rösten und trinken und auf diese Weise die Steuer umgehen wollten. Doch das ließ sich der Preußenherrscher nicht gefallen. Um diese „Unbotmäßigkeit“ von Teilen seiner Untertanen zu enthüllen und zu bestrafen, stellte er etwa 400 so genannte „Kaffeeschnüffler“ oder „Kaffeeriecher“ in Dienst. Dies waren Kriegsinvaliden, deren Aufgabe es war, durch die preußischen Lande zu ziehen und mittels „Schnüffeln“ herauszufinden, wo verbotenerweise Kaffee geröstet und getrunken wurde. Sie hatten das Recht, sich in Uniform Zutritt zu verdächtigen Häusern zu verschaffen und sogar Leibesvisitationen durchzuführen. Wer von ihnen überführt wurde, hatte mit empfindlichen Strafen zu rechnen. Da die kriegsversehrten Soldaten gut verdienten, war dieser „Beruf“ recht begehrt, wenn auch in der Bevölkerung verständlicherweise nicht sehr beliebt.

Eine ähnliche Vorgehensweise pflegte man im benachbarten Land Hessen-Kassel. Gemäß einem Ver­bot Landgraf Friedrichs war dort der Genuss des „Gesundheit und Vermögen schädigenden Trankes“ bereits seit 1766 unter schwere Strafe gestellt. Darauf, dass man sich an dieses Verbot wohl nicht so genau hielt, deutet die Wiederholung und Verschärfung dieses Gesetzes nur wenige Jahre später hin. Doch die Untertanen wollten sich den Kaffeegenuss nicht untersagen lassen, wie dem Bericht der „Gartenlaube“ zu entnehmen ist:  „Die Kaffeekränzchen blühten, und es ist anzuerkennen, daß in jenen Tagen die Hessen-Kasseler Damen mehr Muth brauchten, wenn sie zu ihren ‚Schlachten‘ auszogen, als dies gemeinhin heutzutage der Fall sein dürfte. Denn „das Auge“ – oder in diesem Falle richtiger ‚die Nase des Gesetzes wachte‘!“ Auf dem Bild, das den Artikel begleitet, sieht man „Kaffeeriecher“ in Aktion, die ein unerlaubtes Kaffeekränzchen aufgespürt haben: „Auf unserem Bilde scheinen die Schergen wirklich einen guten Fang gethan zu haben. Denn das junge Dämchen, das dem Beschauer den Rücken kehrt, würde kaum die Kanne unter dem Tischtuch verstecken, wenn ihr Inhalt nicht belastend für das Kleeblatt werden könnte. Und grimmig genug schauen die Wächter des Gesetzes drein, als wäre mit ihnen nicht zu spaßen!“, schreibt der Autor der Zeitschrift. Doch auf Dauer ließ sich der Siegeszug des „braunen Sohns der Tropen“ in den deutschen Landen nicht verhindern und die horrenden Kaffeesteuern wurden abgeschafft. So endete das Kaffeemonopol des preußischen Staates mit dem Tode des „Alten Fritz“ und die „Kaffeeriecher“ mussten sich nach einer neuen Aufgabe umsehen. Und wenn heute der Geruch frisch gekochten Kaffees durch unsere Häuser zieht, müssen wir uns nicht vor dem Besuch strenger Uniformierter fürchten, sondern locken durch den Duft höchstens einen freundlichen Nachbarn auf ein Tässchen des belebenden Heißgetränks in unser Heim!