Einer der bekanntesten, aber auch ungewöhnlichsten Künstler des Manierismus ist der Maler Giuseppe Arcimboldo. Als kaiserlicher Hofmaler bannte er an den Höfen in Wien und Prag nicht nur das höfische Treiben auf Leinwand, sondern organisierte dieses sogar – er war also eine Art früher „Eventmanager“. Auch als Bühnenbildner war der gebürtige Mailänder tätig und seine Fähigkeit zur sinnlichen Inszenierung brach sich in all seinen Werken Bahn. Ganz besonders gilt dies für seine aus Pflanzen arrangierten Jahreszeitenbilder.
Blickt man im Winter in Wälder und Gärten, so dominieren gedeckte Braun- und Grüntöne das Bild. Und so ist es auch in Arcimboldos Gemälde mit dem Titel „Winter“: Als Neujahrsgeschenk des Jahres 1563 für Kaiser Maximilian II. gedacht, ist das Gemälde aus allerlei bizarren Naturdingen in diesem Farbspektrum zusammengesetzt. Gemeinsam mit den drei anderen Bildern des Jahreszeitenzyklus sowie Gemälden der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft soll der „Winter“ im kaiserlichen Schlafzimmer einen prominenten Platz erhalten haben.
Auch wenn die Zusammenstellung von Pflanzen zu einem menschlichen Antlitz auf den ersten Blick sehr natürlich wirkt, ist sie doch bei genauerer Betrachtung alles andere als einfach, sondern mit hoher Kunstfertigkeit arrangiert. Hier verwandelt sich schuppig-graue Rinde in das faltige Gesicht eines Greises, dort deutet versprengtes Moos altersschütteren Bartwuchs an. Geradezu üppig wirken die Lippen, die von einem graubraunen Baumschwamm gebildet werden. Das Haar, das sich schon deutlich gelichtet hat, legt sich mit Efeuranken in einem dünnen Kranz um das Haupt des Alten. Besonders ins Auge sticht dagegen der Brustschmuck des winterlichen Kompositkopfes. Vor dem dunklen Bildhintergrund fallen zwei Zitrusfrüchte auf – diese sind ein dezenter Hinweis auf die große Pflanzenbegeisterung Maximilians. Eher unauffällig wird in dem aus Strohmatten gebildeten Umhang des „Winter“-Portraits die Verehrung des Künstlers für das Kaiserhaus dargestellt: Denn nur bei genauem Hinsehen erschließen sich Symbole des kaiserlichen Hausordens vom Goldenen Vlies, die in den schlichten Mantel eingewebt sind.
Sämtliche Gemälde der vier Jahreszeiten und Elemente, die Arcimboldo für seinen kaiserlichen Gönner malte, sind als Lobpreis auf Maximilians Herrschaft zu verstehen. Der Maler wünschte sich, stellvertretend für die anderen Untertanen des Monarchen, dass sich dessen Herrschaft über die ganze Welt erstrecken möge – ebenso wie die Herrschaft der Elemente und Jahreszeiten über alle Menschen regieren. Doch warum gerade der Winter? In der Pflanzensymbolik kommt dem Winter eine ganz besondere Rolle zu – bei den Römern galt diese Jahreszeit als „caput anni“, als „Haupt des Jahres“, welches sie neu einläutet. Und wir dürfen gewiss sein: Nach jedem noch so strengen Winter folgt verlässlich ein neuer Frühling!
In jedem Winter
steckt ein zitternder Frühling,
und hinter dem Schleier jeder Nacht
verbirgt sich ein lächelnder Morgen.
Khalil Gibran (1883-1931)