Das Bild des klassischen französischen Gartens ist untrennbar mit dem André Le Nôtre verbunden. Denn die von ihm geschaffene Gartenanlage von Versailles verwirklicht die kühnsten Träume des Barockzeitalters. Als Sohn eines Gartenbaumeisters des Königs kommt André Le Nôtre am 12.3.1613 in Paris zur Welt. Er wird hineingeboren in ein traditionelles Umfeld aus Gärtnerdynastien, die schon seit dem 16. Jahrhundert in den Diensten der französischen Krone stehen. Hier lernt er auch den Hofmaler Simon Vouet kennen. Von ihm erfährt er viel über die Anwendung der Perspektive, die Kompositionsprinzipien der Malerei und die Formensprache der Architektur, aber auch die Grundlagen von Geometrie und Mathematik. Er lernt sein Handwerk in den Tuilerien, steigt zum Ersten Gärtner des Bruders des Königs auf, übt seine Profession anschließend in der Gartenanlage der Königin in Fontainebleau aus.
Mit der Gartenanlage von Vaux-le-Vicomte für den Finanzminister Nicolas Fouquet gelingt Le Nôtre sein ein erstes und vielleicht größtes Meisterwerk: Sieben Jahre lang (1653-1660) schafft er gleichsam aus dem Nichts ein Paradies. In dem Baumeister Le Vau und dem Maler Le Brun findet er dafür kongeniale Partner, die später mit ihm auch bei der Anlage von Versailles zusammenarbeiten sollten. Mit dem Gartenentwurf für Vaux übertraf Le Nôtre alles bislang Dagewesene – Schloss und Garten sind in einer Perfektion aufeinander abgestimmt, die bis heute als unerreicht gilt. Natürlich ließ es sich der Schlossbesitzer Fouquet nicht nehmen, sein Anwesen im Sommer 1661 mit einem rauschenden Fest einzuweihen. Die geladenen Gäste waren von all der Pracht geblendet. Neidvoll blickte auch der junge Monarch auf all diese Pracht und Verschwendung – und musste natürlich seinen Minister sofort übertrumpfen. Er ließ Fouquet gefangen nehmen, das gesamte künstlerische „Personal“ wurde sofort in seine Dienste gestellt: Le Notre, le Brun und Le Vau sollten für den Sonnenkönig mit Versailles ein noch schöneres Schloss, einen noch bombastischeren Park, kurz, nichts geringeres als eine Anlage der Superlative erschaffen!
In mehreren Jahrzehnten (1662-1688) waren ganze Heerscharen von Gärtnern und Arbeitern damit beschäftigt: Sie mussten in einem Sumpfgebiet riesige Kanäle graben, mehr als tausend Brunnen ausheben, das Erdreich umwälzen und ganze Wälder aus dem Nichts anlegen. Mit dem Schloss und dem Park von Versailles erschufen le Nôtre und seine kongenialen Partner ein monumentales Sinnbild königlicher Macht, ein Zeichen des Sieges des menschlichen Geistes über die widerspenstige Natur!
Kennzeichnend für Le Nôtres Schaffen ist ein umfassendes Denken im Raum, welches das Schloss, Garten und die umgebende Landschaft als Einheit begreift und einem einheitlichen Grundkonzept unterordnet. Statt üppiger Blumenbeete setzte der geniale Landschaftsgestalter auf symmetrisch gepflanzte Baumgruppen und Broderie-Parterres, also kunstvolle Ornamente aus gestutzten Sträuchern und farbigen Kiesflächen. Allgegenwärtiges Wasser dient als Spiegel der repräsentativen Anlagen. Hier soll und darf flaniert, soupiert, getanzt und musiziert werden. Hier kann sich das Hofzeremoniell in seiner ganzen Theatralik entfalten, um dem einen, dem Sonnenkönig zu huldigen! Am 15. September 1700 stirbt der geniale Gartenkünstler Le Nôtre in seinem Haus in den Tuilerien. Sein Denkmal im Tuilerien-Garten trägt zu Recht die Inschrift: „dem Schöpfer der schönsten Gärten in Frankreich!“