Auf nach England! – der erste gedruckte Gartenreiseführer des Benton Seeley

grotto_cold-bath_bseeleyVor genau dreihundert Jahren öffnete 1717 erstmals das „New Inn“ seine Pforten – ein Gasthaus, dessen Aufgabe es war, die zahl­reichen Gartenbesucher aus ganz Europa zu bewirten, welche die Parkanlage im englischen Stowe besichtigen wollten. Denn der Stil des Englischen Landschaftsgartens hatte nicht nur in seinem Mutter­land Furore gemacht, sondern lockte auch ganze Scharen von Gartenenthusiasten aus den Ländern jenseits des Kanals nach England. Für diese ließ Lord Cobham das erwähnte Gasthaus bauen und nach einer umfassenden Renovierung dient es heute wieder genau der gleichen Aufgabe wie vor 300 Jahren.

Der Park von Stowe House in Buckinghamshire gilt heute als einer der berühmtesten englischen Landschaftsgärten und schon kurz nach seiner Entstehung war er für Bildungsreisende ein wichtiges Ziel. Es kamen schließlich so viele Gartenbesucher, dass es unmöglich wurde, jeden von ihnen persönlich durch die herrliche Anlage zu führen. Und so veröffentlichte Benton Seeley, ein örtlicher Buchhändler und Kupferstecher, im Jahre 1744 den ersten gedruckten Gartenführer auf britischem Boden unter dem Titel „Stowe: A Description of the Magnificent House and Gardens of The Right Honourable Richard Grenville Temple, Earl Temple… Embellished with a General Plan of the Gardens, and also a separate Plan of each Building, with Perspective Views of the same“.

Das Buch erfuhr allein während der nächsten fünf­zig Jahre 17 Neuauflagen und war sogar noch erfolgreicher als sein späterer Nachfolger, die „The Beauties of Stowe“ von George Bickham. Mit Benton Seeleys Gartenführer in der Hand wan­del­ten so berühmte Besucher durch Stowes Fluren wie etwa Thomas Jefferson, der 3. Präsi­dent der USA, oder Alexander Pope, Daniel Defoe und wahrscheinlich auch Jane Austen.

Viele schöpferische Geister haben in Stowe ihre Spuren hinterlassen: Nach dem Architekten Sir John Vanbrugh (1664–1726), der einen ersten Monopteros (Rundtempel) im Garten errichten ließ, drückten die Gartenkünstler Charles Bridgeman (1690–1738) und William Kent (1685-1748) sowie Architekt James Gibbs (1682–1754) und schließlich der legendä­re Lancelot Brown (1716–1783) dem Park ihren Stempel auf. Die im Garten errichteten Tempel nehmen symbolisch Bezug auf den Familiennamen des Auftraggebers, Richard Temple (1669–1749) sowie dessen Familienmotto „Templa quam dilecta“ („Wie schön sind die Tempel“). Noch heute kann man anhand des reich bebilderten Reiseführers von Benton Seeley durch Stowes Park wandern und den Blickverbindungen zwischen den zahlreichen Staffagebauten und dem Herrenhaus über die weiten Wiesen- und Wasserflächen des Gartens hinweg nach­spüren. Und auch in unserer Zeit verlaufen die Wege noch so, wie sie Benton Seeley selbst gesehen und dann zu Papier gebracht hat. Die britische Schriftstellerin Eliza­beth Montague (1718 – 1800) sagte über den Garten von Stowe, er sei „beyond description, it gives the best idea of Paradise that can be.“ Mit etwas Glück kann man als Sammler alter Gartenbücher den Gartenführer heute noch antiquarisch erwerben – für stattliche 1.200 britische Pfund!

 

Der englische Dichter Alexander Pope (1688 – 1744) hat Stowe in einem Gedicht seine Reverenz erwiesen:

 

To build, to plant, whatever you intend,
To rear the Column, or the Arch to bend,
To swell the Terras, or to sink the Grot;
In all, let Nature never be forgot.
But treat the Goddess like a modest fair,
Nor over-dress, nor leave her wholly bare;
Let not each beauty ev’ry where be spy’d,
Where half the skill is decently to hide.
He gains all points who pleasingly confounds
Surprises, varies, and conceals the Bounds.

Consult the Genius of the Place in all;
That tells the Waters or to rise, or fall,
Or helps th‘ ambitious Hill the heav’n to scale,
Or scoops in circling theatres the Vale,
Calls in the Country, catches opening glades,
Joins willing woods, and varies shades from shades,
Now breaks or now directs th‘ intending Lines;
Paints as you plant, and, as you work, designs.

Still follow Sense, of ev’ry Art the Soul,
Parts answ’ring parts shall slide into a whole,
Spontaneous beauties all around advance,
Start ev’n from Difficulty, strike from Chance;
Nature shall join you, Time shall make it grow
A Work to wonder at – perhaps a STOWE.