Hans Simon Holtzbecker – ein „Gartenfotograf“ des Barockzeitalters

johannes_simon_holtzbecher_-_narcissus_tazetta_narcissus_orientalis_corbularia_bulbocodium_-_google_art_projectViele herrliche Gartenanlagen der  Renaissance und des Barock samt ihrer Pracht und Formen­viel­falt sind verloren gegangen – etliche von ihnen sind voll­stän­dig in Vergessenheit geraten, manche wurden aufwändig restauriert und von einigen solcher „Lost Gardens“ wissen wir immerhin noch aus Berichten und Bildern. Gerade in einigen handgemalten Blumen­büchern, den so genannten Florilegien, sind uns auf diesem Wege zumindest Erinnerungen an einige herausragende Gärten des 17. Jahrhun­derts erhalten geblieben. Dem einen oder anderen dürfte der Prachtband „Hortus Eystettensis“ ein Begriff sein, den der Apotheker und Botaniker Basilius Besler für den Bischof von Eichstätt hat zusammenstellen lassen. Doch weit weniger bekannt ist wohl das Werk des Pflanzenmalers Hans Simon Holtzbecker, der in nicht minder herausragender Quali­tät die Pflanzen in den Gärten seiner Auftraggeber gemalt hat. Über die Person des Hambur­ger Künstlers (* vor 1649; † nach 1671) ist – über sein Werk hinaus – leider kaum etwas bekannt, doch eben dieses Werk kann sich sehen lassen!

Holtzbeckers wohl berühmteste Schöpfung ist der so genannte „Gottorfer Codex“, den er für Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf in der Zeit von 1649 bis 1659 schuf. Der vierbändige Pflanzenatlas zählt mit Recht zu den prächtigsten Florilegien dieser Zeit. Darin sind sowohl einheimische als exotische Pflanzen abgebildet, die im so genannten „Neuwerk­garten“ des Gottorfer Schlosses zu finden waren. Vor allem war es dem Herzog daran gelegen, damals noch relativ neu bei uns eingeführte und entsprechend prestige­trächtige Pflanzen malen zu lassen, wie etwa unterschiedliche Arten von Hya­zinthen, Narzis­sen und Tulpen, aber auch Aloen und verschiedene Zitrusgewächse. In einem nord­euro­päischen Garten waren solche Gewächse im 17. Jahrhundert eine wahre Sensa­tion! Die Pflanzenzeichnungen des Hans Simon Holtzbecker zeichnen sich durch eine große  naturwissenschaftliche Akuratesse und fast fotografische Genauigkeit aus und unter­schei­den sich damit deutlich von den durch eine eher symbolhaft-religiöse Weltsicht gepräg­ten Pflanzendarstellungen des Mittelalters. Durch die Kriegswirren des Großen Nordischen Krieges gelangte der Gottorfer nach Kopenhagen und kann dort heute in der der Königlichen Grafiksammlung des Statens Museum for Kunst bewundert werden.

johannes_simon_holtzbecher_-_punica_granatum_simp_et_pl_-_google_art_projectNach seiner Tätigkeit für den Herzog machte sich Holtzbecker direkt an ein neues „opus magnum“: Für den Hamburger Senator Caspar Anckelmann malte er ein Florile­gium, das die Pflanzen des Hamburger Lustgartens zeigte, der mit seinen quadratischen Blumenparterres, Skulpturen und Obelisken, Spalieren mit Wein und Rosen seinerzeit berühmter war als so mancher fürstliche Garten. Für den Hamburger Bürgermeister Barthold Moller fertigte er schließlich das heute als Moller-Florilegium bekannte Werk. Von dem ursprünglich fünfbändigen Werk tauchte 1999 ein verschollen geglaubter Band mit 207 Darstellungen von Zwiebelpflanzen in Wasser- und Deckfarben auf. Ein Blick auf die Holtzbeckerschen Zeichnungen der schönsten Zierpflanzen des Frühlings zeigt, dass der Garten des Hamburger Stadt­oberhauptes mit den erlesensten und teuersten Züchtungen der damaligen Zeit aufwarten konnte. Die herausragende Qualität der Dar­stel­lungen macht deut­lich, dass der Hamburger Maler weitrei­chende botanische Kenntnisse besessen haben muss. Dennoch gerieten er und sein Werk über Jahrhunderte in Verges­senheit und seine Zeich­nungen wurden lange Zeit der berühmten Malerin Maria Sibylla Merian zugeschrieben. Wer sich heute in die Bilder des Hans Simon Holtz­becker vertieft, kann sich kaum von diesem spannenden Einblick in die Gartenkultur des Adels und des Hamburger Bürgertums in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts losreißen!