Sich selbst ein Märchenschloss zu bauen, ist wohl nur wenigen vergönnt. Einer, dem dies gelang, war Bernhard Sehring. Der in Fachkreisen nicht unumstrittene Architekt hatte sich vor allem mit seinen Theatergebäuden einen Namen gemacht – von ihm stammen etwa das Theater des Westens in Berlin (1895/96) und das Stadttheater in Cottbus (1907/08). Als Sehring im Jahre 1905 ein geschichtsträchtiges Gelände nahe Ballenstedt im Harz erwarb, war von der dort befindlichen mittelalterlichen „Roseburg“ nahezu nichts mehr übriggeblieben. Nur zwei Jahre später begann der Architekt, hier eine neue Burg ganz nach seinen Vorstellungen zu errichten – als Sommersitz und Präsentationsort für seine umfangreiche Kunstsammlung.
Es entstand ein historistisches Märchenschloss im Charakter einer alten Burganlage mit Palas, Vorburg, zinnenbekröntem Bergfried und einem Wohnturm nach dem Vorbild normannischer Donjons. Auch ein Mausoleum entwarf der Hausherr für sich und umgab sein Schloss mit einer malerischen Parkanlage. Ganz im Sinne des Historismus bediente sich Sehring in seinem Park stilistischer Anklänge an die Gartenkunst verschiedener Epochen wie der italienischen Renaissance, dem französischen Barock und dem englischen Landschaftsgarten. Gestalterisches Rückgrat der Gartenanlage ist eine etwa 100 Meter lange terrassierte Wasserachse, die neben dem Burgturm nach Nordwesten hin sanft abfällt. Noch heute erkennt man die Liebe zum Detail, mit welcher der Architekt seinen Park gestaltete und dabei die Gegebenheiten des Areals sensibel nutzte. Seltene Laub- und Nadelbäume zieren das Gelände, Wege und Treppen sind äußerst geschic
kt von Hecken und anderen Gehölzen flankiert. Mal dienen diese grünen Strukturgeber dazu, den Blick des Besuchers zu begrenzen, mal leiten sie das Auge gezielt hin zu einem der architektonischen Schmuckelemente, die den Garten zieren: Den Park durchstreifend trifft man alle paar Schritte auf steinerne Löwen, Obelisken, Putten, geflügelte Engelsgestalten und Widderköpfe und man fühlt sich zurückversetzt in längst vergangene Zeiten, in der Minnesänger, Ritter und edle Damen auf der Roseburg zu Hause gewesen sein mögen. Zwar ist Sehring nicht in seinem Märchenschloss gestorben, sondern in seiner Wohnung am Berliner Kurfürstendamm, doch begraben wurde er in dem von ihm entworfenen Mausoleum seiner über alles geliebten Roseburg.