Kitsch oder Kunst?

Seit es Gärten gibt, haben die Pflanzen allein dem Menschen nicht genügt. Schon unter dem römischen Kaiser Hadrian war es üblich, die Gärten mit ungewöhnlichen Bauwerken zu verschönern. Und schon damals gab es die verrücktesten Dinge in den grünen Oasen zu sehen. Daher bezeichnet man in der Gartenkunst Bauwerke und Staffagen, die besonders exzentrisch sind oder sich durch ihre extravagante Ausführung auszeichnen, als Follies (engl., „Narretei“). Im Gegensatz zu „normalen“ Tempeln oder Brücken, die sich harmonisch ins Gartenambiente einfügen, ist es bei den „Follies“ geradezu Absicht, durch ihre bizarre Gestalt aufzufallen. Und indem Follies häufig offensichtlich „unnütz“ sind, also keinem praktischen Zweck dienen, provozieren sie den Betrachter geradezu. In den Gärten des Manierismus wurden Follies geradezu verschwenderisch eingesetzt. Da gab es Grotten und die ungewöhnlichsten Wasserspiele, aber auch durch Wasserkraft angetriebene Automaten, die Figuren bewegten oder Vogelgezwitscher und Donnergeräusche erzeugten. Für den Park der der Villa Medicea in Pratolino etwa schuf der italienische Bildhauer Giovanni  Bologna eine hockende Riesengestalt, die allegorisch das Gebirge des Apennin darstellt und noch heute zu sehen ist. Da viele Europäer auf ihrer „Grand Tour“ durch Italien reisten, nahmen sie so manche dieser schön-schrägen Ideen mit zurück in ihre Heimatländer, um sie in ihren eigenen Gärten so oder ähnlich nachzuahmen oder gar zu übertreffen. So entstanden Turmruinen, zerborstene Aquädukte, aber auch padodenähnliche Bauwerke und Moscheen, aber auch das Schlösschen auf der Pfaueninsel.

In den englischen Landschaftsparks des 18. Jahrhunderts waren Follies ein absolutes „must“: Die Gartenbesitzer überboten sich geradezu darin, immer noch verwunschenere Türme und Ruinen oder Scheinarchitekturen wie Kirchen oder Klöster zu errichten. Oft entstanden diese Follies nicht nach Entwürfen von Architekten, sondern nach Ideen der Gartenbesitzer selbst. Mit dem Siegeszug des Landschaftsgartens verbreiteten sich die Follies auch in Kontinentaleuropa und bis nach Nordamerika. Mancherorts entstanden regelrechte folly gardens, die vor lauter Staffagebauten geradezu aus allen Nähten platzen. Ein schönes Beispiel hierfür ist der Park Monceau, den Louis Philippe II. in den Jahren 1773 bis 1778 für sich errichten ließ. Hier kann der Besucher noch heute ägyptische Pyramiden, chinesische Architektur, holländische Windmühlen und korinthische Säulen bestaunen. Kurios ist auch die künstliche Felseninsel „Der Stein“ im Wörlitzer Park, die eigens zur Inszenierung nächtlicher Vulkanausbrüche errichtet worden war. Besonders skurril ist der Dunmore Pineapple in Schottland, den ein unbekannter Architekt im 18. Jahrhundert als Sommerhaus für John Murray errichten ließ. Das zweistöckige Gebäude wird von einer Kuppel gekrönt, die in Form einer riesigen Ananas daherkommt! Noch im letzten Jahrhundert entstand im britischen Haslemere (Surrey) für Whitaker Wright die äußerst aufwändige Anlage Witley Park. Hier gab es sogar einen Tanzsaal, der unter Wasser lag! Um dorthin zu gelangen, muss man durch eine Art Baumportal schreiten, um dann mehrere Schritte in die Tiefe zu steigen. Dort klettert man in ein Boot und gelangt nach wenigen Ruderschlägen durch zwei große Tore in den Ballsaal. Er wird überwölbt von einer großen Glaskuppel, durch die man das Wasser erblickt, das den Raum in ein grünes Dämmer hüllt! So mancher skurriler Folly hat der Zahn der Zeit den Garaus gemacht, Staffagebauten aus Holz fielen beispielsweise dem Feuer oder schlichtweg dem Holzwurm zum Opfer. Auch die sich wandelnde Gartenmode führte dazu, dass viele dieser Follies heute nur noch in alten Bildern und Reisebeschreibungen weiterleben. Ob diese Follies Kunst oder Kitsch sind, mag jeder für sich selbst entscheiden!