Vom Georgele und der Osterluzei

Wenn im Frühjahr die Temperaturen wärmer und die Tage wieder länger werden, kann man es kaum erwarten, bis es im Garten zu blühen beginnt. Alles was blüht, wird vom Gartenfreund sehnsüchtig herbeigesehnt und geliebt. Und so erstaunt es auch nicht, dass der Volksmund gerade für zeitig im Jahreskreis blühende Pflanzen eine wahre Flut von eigenen Namen und Bezeichnungen parat hat.  Die „Osterglocke“ (Narcissus pseudonarcissus), die bereits rund um das christliche Osterfest stolz ihre herrlich gelben Glocken aus dem Beet erhebt, ist da sicherlich eines der bekannteren Beispiele. Schon früh im Jahr steht auch der weiß blühende Märzenbecher (Leucojum vernum) in den Startlöchern. Dort, wo der Winter sich länger hält, wie etwa in der Lausitz, kennt man ihn als „Osterbecherchen“. Im Westfälischen nennt man ihn auch „Josephsblume“, nicht zuletzt weil er seine Blüten um den Festtag des Heiligen Joseph zeigt, dessen Namenstag am 19. März begangen wird. Auch der Seidelbast  (Daphne mezereum) blüht zu dieser Zeit und wird daher  im Rheinland gern auch als „Karfreitagsblume“ bezeichnet. In Oberösterreich werden zur Palmsonntagsprozession Seidelbastzweige anstelle der sonst meist üblichen Palmzweige geschwenkt. Und Fuhrleute sollen früher Reiser dieser Pflanze, die am Fest Mariä Himmelfahrt geweiht worden waren, ihren Pferden ans Zaumzeug gesteckt haben, um sie vor Hexenzauber zu bewahren. Unter dem poetischen Namen „Himmelsschlüssel“ kennt man die zarte kleine Frühlingsprimel (primula veris), weil ihr Blütenstand einem Schlüssel ähnelt. In der Pflanzensymbolik des Mittelalters stand diese Blume als Sinnbild für Maria, die durch ihren Sohn Jesus gewissenmaßen den Menschen das Tor ins Himmelreich aufschließt. Meist schon vor Ostern, also in der Fastenzeit, blüht auch das Blausternchen oder Scilla (Scilla Bifolia), das deswegen in Baden-Württemberg sehr oft auch „Fastenblume“ genannt wird. Gerade in alten Parks und verwilderten Gärten bilden diese zierlichen zartblütigen Vertreter aus der Familie der Spargelgewächse oft riesige blaue Blütenteppiche! Einen wirklich spektakulären Namen im Volksmund hat die Lunaria annua. Die zweijährige Pflanze blüht im Frühjahr und bildet dann im Sommer Samen, die auf einer silbern glänzenden Fruchtscheidewand kleben. Dass diese an silberne Münzen erinnert, hat der Lunaria denkwürdigen Namen „Judassilberling“ oder „Judasgroschen“ eingetragen. Damit wird an Judas erinnert, einen der Jünger Jesu, der diesen für Geld, die sprichwörtlichen 30 Silberlinge, an die Hohepriester verriet. Spätestens um den 23. April, den Festtag Heiligen Georg, blüht das „Georgele“, wie es die Schwaben liebevoll nennen. Die Rede ist von der Traubenhyazinthe (Muscari sp.), die an den Heiligen Georg erinnert, der sich nicht zuletzt durch seinen legendären Kampf mit dem Drachen einen Platz in der großen Schar der Heiligen erobern konnte. Ob die Osterluzei ihren Namen daher hat, weil man ihren korrekten Namen Aristolochia (Aristolochia clematitis) nicht richtig auszusprechen wusste, oder weil ihr Blütenzeitzeitpunkt um Ostern herum liegt, ist unter botanischen Namensforschern immer noch eine umstrittene Angelegenheit. Doch egal, wie es sich genau verhält – mich erinnert der Name an ein zartes, junges Mädchen, das im Frühjahr auf einer Blumenwiese spielt. Vielleicht machen Sie ja bald einen Osterspaziergang und begegnen dann der holden Osterluzei oder ihrem Begleiter, dem Georgele?