Mit der „Camera Lucida“ auf den Spuren der Mayatempel

Frederick Catherwood (1799 – 1854) war ein englischer Architekt, Künstler, Entdecker und Illustrator. Ge­meinsam mit dem amerikanischen Diplomaten und Journalisten John Lloyd Stephens führte er zwischen 1839 und 1842 die ersten umfassenden Untersuchungen mehrerer archäologischer Mayastätten in den heutigen Ländern Mexiko, Guatemala, Belize und Honduras durch. Während dieser Expeditionen fertigte Catherwood über zweihundert detailreiche Zeichnungen von Maya-Architektur, Skulpturen, Denkmälern und anderen Kulturgütern an. Außerdem erstellte er Pläne, die später in Form von Stahllithographien veröffentlicht wurden. Diese Werke erschienen in den zweibändigen Reiseberichten von Stephens mit den Titeln „Incidents of Travel in Central America, Chiapas, and Yucatan“ (1841) und „Incidents of Travel in Yucatan“ (1843). Im Jahr 1844 publizierte Catherwood selbst einen Foliosatz handkolorierter Tafeln mit dem Titel „Views of Ancient Monuments in Central America, Chiapas, and Yucatan“.

Catherwood nutzte für sein Bildwerk die damals innovative Camera-Lucida-Technik, um die Umrisse seiner Motive präzise auf Millimeterpapier zu übertragen. Eine „Camera Lucida“ nutzt ein optisches Prisma, das so positioniert ist, dass der Benutzer gleichzeitig ein reales Objekt und die Zeichenfläche sehen kann. Dadurch scheint das Objekt auf die Zeichenfläche projiziert zu werden, obwohl es in Wirklichkeit nicht physisch dort ist. Der Benutzer kann dann die Konturen des Objekts „nachzeichnen“, wodurch sehr präzise Zeichnungen entstehen. Catherwoods detaillierte Darstellungen der Maya-Kunst und -Architektur sind ein Meilenstein in der Geschichte der mesoamerikanischen Studien. Seine Illustrationen zeigen die einzigartigen Stile und Reliefs der Maya-Skulpturen, einschließlich der hieroglyphischen Inschriften, die eine damals noch unbekannte Sprache repräsentierten

Stephens und Catherwood vertraten die in ihrer Zeit bahnbrechende Ansicht, dass die Maya-Kultur das Ergebnis einer einheimischen mittelamerikanischen Entwicklung war und nicht auf Migrationen aus dem Nahen Osten, dem Mittelmeerraum oder der klassischen Welt zurückging. Catherwoods Zeichnungen lieferten wichtige visuelle Beweise für diese Hypothese.

Gemeinsam argumentierten die beiden Forscher, dass die Maya-Städte wahrscheinlich vorrangig zwischen dem 5. und 13. Jahrhundert nach Christus entstanden seien – ein Zeitraum, der später durch moderne archäologische Erkenntnisse bestätigt wurde. Außerdem waren sie der Meinung, dass die alte Maya-Zivilisation die Vorläufer der heutigen indigenen Bevölkerung im südlichen Mexiko und Mittelamerika sei – auch dies wurde durch weitere Forschungen in späterer Zeit als richtig bewiesen. Frederick Catherwood starb 1854 bei einem Schiffsunglück im Nordatlantik. Wir verdanken ihm eine Sammlung bedeutender Bildwerke der Mayakultur, die bis in die Gegenwart intensiv von Forschern genutzt werden. Catherwoods Zeichnungen sind noch heute ein ästhetischer Genuss!

Hier können Sie das Buch von Smith mit den Illustrationen von Catherwood digital ansehen.