Leben mit einem Vollblutgärtner

Es ist keine Biografie im üblichen Sinne, die der Stuttgarter Ulmer Verlag unter dem Titel „Mein Leben mit Alwin Berger“ und im Auftrag des Alwin-Berger-Archivs herausgegeben hat. Die Lebensbeschreibung des in früheren Zeiten so bekannten Gärtners und Botanikers Alwin Berger stammt aus der Feder seiner Ehefrau Elise, die das Leben ihres Mannes für ihre Kinder festhalten wollte. Dies führt mitunter ein wenig zu Längen und Ausschweifungen, die vor diesem Hintergrund verständlich sind und in einer „professionell“ verfassten Biografie sicherlich dem Streichstift eines Lektors zum Opfer gefallen wären. So aber entsteht das vielschichtige Bild eines Menschen, der der Welt der Botanik so viel gegeben hat.

Seine Lehr- und Wanderjahre verbrachte Alwin Berger (1871-1931), der sich schon als Kind für die Pflanzenwelt begeisterte, in verschiedenen botanischen Gärten zwischen Dresden und Frankfurt, Freiburg und Greifswald. Der Öffentlichkeit bekannt wurde Berger zunächst vor allem durch seine Tätigkeit als Kurator des Gartens „La Mortola“ des englischen Gartenfreundes Thomas Hanbury in Ligurien (Italien). Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte es Berger als Oberhofgarteninspektor der Gärten des Königs von Württemberg wieder nach Deutschland, wo er eine kurze Zeit in der Stuttgarter „Wilhelma“ tätig war. Nach einem beruflichen Aufenthalt an der New York State Agricultural Experiment Station in Geneva kehrte er als Leiter der botanischen Abteilung des Naturkundlichen Museums nach Stuttgart zurück.

Als Pflanzenforscher war Berger sein ganzes Leben lang unermüdlich tätig und stand mit Kollegen im In- und Ausland in regem wissenschaftlichem Austausch. Mehr als 700 Pflanzenarten hat er erstmals beschrieben und die in seinem breit gefächerten Berufsleben gewonnen Erkenntnisse in rund 300 Veröffentlichungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dieses rastlose Berufsleben aus der Sicht seiner Ehefrau Elise lesend zu begleiten, lässt dem Leser eine längst verschwundene Generation an Botanikern fast lebendig vor Augen treten, deren Namen vielen heute höchstens noch als botanische Kürzel hinter Pflanzennamen bekannt sind. Was für eine vielseitig interessierte, über die Landesgrenzen vernetzte, hoch gebildete Welt von Botanikern einem in dem Buch begegnet! Die Weitschweifigkeiten der Schilderung kann man vor dem Hintergrund des familiären Blickwinkels von Elise Berger an der einen oder anderen Stelle getrost überlesen und genauso getrost verzeihen.

Elise Berger: Mein Leben mit Alwin Berger. La Mortola – Stuttgart – Geneva, Ulmer Verlag, Stuttgart 2020.