Das Bild des Gartens als Text

Als Marie Luise Gothein 1942 ihre zweibändige „Geschichte der Gartenkunst“ veröffentlichte, war die Gartenkunstgeschichte noch eine relativ junge Disziplin. Gotheins Anliegen war es, als eine der ersten die Entwicklungsgeschichte der Gartenkunst in einem Überblick zu schildern und zu inventarisieren. In dem Buch „Marie Luise Gotheins ‚Geschichte der Gartenkunst‘: Das Bild des Gartens als Text“ geht die Kunsthistorikerin und Germanistin Karin Seeber einer spannenden Frage nach: Wie hat sich die Gartenkunstgeschichte als Fach entwickelt und welche Rolle spielte Gotheins Werk für diese Entwicklung? Besonderes Anliegen der Autorin ist es, herauszufinden, mit welchem „interpretierenden Bewusstsein“ Marie Luise Gothein ihre wichtige Veröffentlichung verfasst hat, die ohne Frage zu den Grundlagenwerken der Gartenkunstgeschichte zu zählen ist. Seeber gelingt es, Gotheins „Geschichte der Gartenkunst“ in ihren wissenschaftsgeschichtlichen Kontext einzuordnen und die Forschungsprämissen der Autorin sauber herauszuarbeiten. Denn auch kunsthistorische Werke sind jeweils „Kinder ihrer Zeit“ und entstehen vor einem bestimmten kulturellen Hintergrund, der auf die inhaltliche Darstellung Einfluss nimmt. Eindrucksvoll ist Seebers „pars-pro-toto“-Analyse, wie Gothein etwa den Garten der Villa d’Este beschreibt, denn diese Darstellung zeigt sich deutlich von den Herausforderungen ihrer Abfassungszeit geprägt. Jeder Mensch und damit auch der Forscher ist von seiner Epoche und seiner kulturellen Umwelt beeinflusst. Gotheins „Geschichte der Gartenkunst“ einmal vor diesem Hintergrund zu „durchstreifen“, ist eine hoch reizvolle Angelegenheit!

Seeber, Karin: Marie Luise Gotheins „Geschichte der Gartenkunst“: Das Bild des Gartens als Text, Heidelberg University Publishing, Heidelberg 2020.